Zusammenfassung

Rafał Kubicki (Univ. Danzig/Gdańsk)

Die Siedlungstätigkeit des Deutschen Ordens in der Komturei Schlochau bis 1410

            Untersuchungen über die Rolle des Deutschen Ordens bei der Organisation der Siedlungstätigkeit in Pommerellen (Pomorze Gdańskie) haben bereits eine lange Tradition in der deutschen und polnischen Geschichtsschreibung. An dieser Stelle soll das Problem der Rolle des Deutschen Ordens bei der Organisation der Siedlungstätigkeiten in der Komturei Schlochau (Człuchów) bis 1410 betrachtet werden. Dabei wird nicht nur die Gründung von Dörfern und Städten berücksichtigt, sondern auch die Entstehung der übrigen Bestandteile der wirtschaftlichen Infrastruktur, wie etwa Mühlen und Krügen. Neben einer Zusammenfassung des Stands der älteren Forschung werden am Ende potenzielle Felder für weiterführende Studien aufgezeigt.

Nach der Erlangung der Hoheit über Pommerellen in den Jahren 1308–1309 begann der Deutsche Orden, seine Verwaltungsstrukturen zu organisieren und die Eigentumsverhältnisse der vom herrschenden Herzogshaus und seinen Nachfolgern übernommenen Güter zu ordnen.

Gleichzeitig mit der Übernahme der Kontrolle über das Gebiet von Pommerellen begann der Orden mit der Regelung der Eigentumsverhältnisse mit den örtlichen Besitzern von Gütern, darunter kirchlichen Institutionen (Bischöfen, Klöstern), und der Organisation der neuen Siedlungstätigkeit, wobei nach dem Friedensschluss mit Polen in Kalisch (Kalisz) im Jahr 1343, der die Hoheit des Deutschen Ordens über dieses Territorium endgültig sanktionierte, eine Intensivierung erfolgte. All dies hatte natürlich auch Einfluss auf die Lage in der Komturei Schlochau im südwestlichen Grenzgebiet von Pommerellen.

Aus der Übersicht über die Siedlungstätigkeit des Deutschen Ordens geht hervor, dass er sie zum einen selbstständig betrieb und zum anderen durch die Gründung von Gütern  initiierte, insbesondere entlang der Außengrenzen der Komturei, also zugleich an den Grenzen des Herrschaftsbereichs des Ordens zu Polen und dem Herzogtum Pommern sowie der Komturei Tuchel (Tuchola). Dagegen blieben die Gebiete mit einer geschlossenen Besiedlung im Inneren der Komturei, auf dem Gebiet der ehemaligen Kastellanei Ziethen (Szczytno), weitgehend unverändert. Dort gab es nach wie vor zahlreiche Güter der örtlichen pommerschen Grundbesitzer, sogenannte Panengüter. Mit der Zeit entstanden auch hier Eigendörfer, und manche Güter übernahm der Deutsche Orden sogar selbst, indem er Zinsdörfer nach Kulmer Recht gründete.

Insgesamt verfügte der Orden Anfang des 15. Jahrhunderts über ungefähr 70 kulmische Dienste aus Kulmischen Dienstgütern, 30 Schulzendiensten aus seinen eigenen Dörfern und 17 polnischen Dienstgütern, die Karl Kasiske mit Landzuteilungen in den Gütern von Pollnitz (Polnica) identifizierte. Später wurde Pollnitz in eine Zinsdorf des Ordens umgewandelt. 1437 wurden für die ganze Komturei nur 7 Güter erwähnt, die Abgaben in Geld für die ehemaligen Leistungen nach polnischem Recht entrichteten. Zu diesem Bild hat Walther Maas in seiner Studie zum Siedlungsraum des Schlochauer Landes einen wesentlichen Aspekt hinzugefügt. Ausgehend von den Ergebnissen der eingehenden Untersuchungen von Karl Kasiske wies er nach, dass die vom Deutschen Orden betriebene Siedlungsaktion die Terrains der ehemaligen Grundmoräne umfasste. Die Besiedlung der deutlich weniger fruchtbaren Sanderflächen erfolgte dagegen erst im 16. Jahrhundert und später.

Eine deutliche Intensivierung der Siedlungstätigkeit fand in den Jahren 1351–1380 statt, als 44% aller heute bekannten Privilege der Dorfgründungen des Ordens und der Güter in diesem Gebiet erlassen wurden. Der Deutsche Orden organisierte nicht nur die rechtlichen und räumlichen Rahmenbedingungen für das Funktionieren der Zinsdörfer, sondern unterstützte sie auch in der Zeit ihres Aufbaus und weiteren Bestehens durch Stundung von Zinszahlungen. Daneben organisierte der Orden natürlich eine eigene Versorgungsbasis in Form von Vorwerken und Werkstätten, die sich vor allem in mehreren Vorburgsiedlungen in Schlochau befanden, aber auch bei den Sitzen anderer, niederrangigerer Amtsträger des Ordens (Baldenburg, Hammerstein, Pr. Friedland), was die Versorgung der Mitglieder der Korporation sicherstellte. Insgesamt existierten bis ins frühe 15. Jahrhundert auf dem Gebiet der Komturei etwa 130 Siedlungseinheiten, von denen neben den Städten die Zinsdörfer des Ordens und die Wassermühlen die größte Bedeutung hatten.

Ein erheblicher Wandel der inneren Verfassung der einzelnen privaten und staatlichen Dörfer vollzog sich nach 1410 in Zusammenhang mit den Zerstörungen in der Zeit des sogenannten Hungerkriegs (1414) und den Hussiten-Überfällen in den Dreißigerjahren des 15. Jahrhunderts.