Zusammenfassung
Aleksandra Girsztowt (Univ. Danzig/Gdańsk)
Die Rolle des Deutschen Ordens bei der Organisation des Stadthandwerks bis Mitte des 15. Jahrhunderts
Das Handwerk, seines Zeichens Grundlage des Wirtschaftslebens in den Städten, unterlag zahlreichen Vorschriften, die darauf abzielten, die Qualität der Produkte und ihren angemessenen Preis zu gewährleisten bzw. die Interessen der Handwerker zu schützen, sei es durch die Einschränkung des Zugangs zum Beruf oder das Ordnen der Beziehungen zwischen Meistern und Gesellen.
Im Staat des Deutschen Ordens oblag ebendiesem auch die Hauptverantwortung für die Aufstellung des Handwerks. Die Tragweite der Ordensmacht zeigte sich vor allem in dessen eigener, im Verlauf des Ständetags Preussens verkündeten Gesetzgebung sowie darin, dass städtische Willkühre wie auch die Statute der einzelnen Zünfte stets dem Orden zur Bewilligung vorgelegt werden mussten. Bisher hat sich die Literatur wiederholt mit dem Thema der vom Deutschen Orden eingeführten Handwerksvorschriften befasst, meist mit Blick auf bestimmte Berufe oder Städte. Das Referat zielt auf die Synthese dieser bisherigen Feststellungen in der Sache ab und will weitere Forschungsprobleme aufzeigen.
Die Mehrzahl von Regelungen zum Handwerk in Ordenslandstädten entstand auf den Ständetagen Preussens. Es handelte sich dabei um Verordnungen, die sowohl die Tätigkeit einzelner Handwerke regelten (z. B. die Verordnung über Wollenweber und Kürschner von 1435 oder jene über Kannengiesser aus demselben Jahr). Dazu gehörten vor allem Verordnungen zur einheitlichen Gewährleistung einer durchgehend hohen Qualität der Produktion im ganzen Land, etwa mittels Bestimmungen zu Tuchabmessungen, der Zusammensetzung von Metalllegierungen, oder auch der Kennzeichnung von Produkten. Solche Vorschriften zur Beschaffenheit einzelner Produkte bzw. Kennzeichnungspflicht ergaben sich aus Beschwerden von Städten, die darauf abzielten, ihre Handwerker vor Wettbewerbern aus anderen Städten, in denen weniger Wert auf Qualität gelegt wurde, zu schützen. Als Beispiel hierfür lässt sich etwa der langfristige, erbitterte Streit zwischen Kannengiessern aus Danzig und Thorn anführen, den sich beide Parteien vor dem Ständetag lieferten, bis mit der oben genannten Verordnung von 1435 durchgegriffen wurde. Obwohl die Gesetze auf Initiative der Städte und in Absprache mit den Handwerkern selbst geschaffen wurden, gehörte das letzte Wort stets dem Hochmeister, der selbstredend in erster Linie die Interessen des Ordens vertrat, womit sich wohl dessen Zaghaftigkeit bei der Entscheidung über wettbewerbswidrige aber eben auch zollpflichtige Eisenprodukte aus Nürnberg erklären lässt. Während der Ständetage wurden nicht nur Entscheidungen über Produktion und Qualität getroffen, sondern auch über die Preise einzelner Produkte getroffen, insbesondere wenn es um systemrelevante Güter ging (Verknüpfung der Getreidepreise mit dem Gewicht eines Laibs im Jahr 1386). Den Gegenstand dieser Gesetzgebung bildeten schließlich auch die Zünfte selbst, wovon vor allem ihre Pflicht zur Loyalität gegenüber ihren Städten und dem Staat sowie die gesetzliche Einschränkung des Versammlungsverbots von Zünften aus Angst vor Rebellion zeugten. Ende des 14. Jahrhunderts wurden in Übereinstimmung mit den Städten und Meistern besonders stark jegliche Vereinigungsbestrebungen von Gesellen bekämpft.
Das Handwerk war auch ein wichtiger Bestandteil der Reformbemühungen des Ordenstaates in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts. Erörtert wurden etwa Probleme rund um Betrug durch Handwerker, vor allem im Hinblick auf Abmessungen, sowie das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen oder das Fernbleiben der Gesellen von der Arbeit an Montagen.
Die Rolle des Deutschen Ordens als Lenker des Handwerks beschränkte sich nicht nur auf die eigene gesetzgeberische Tätigkeit mittels Ver- und Anordnungen. Insbesondere in der Zeit vor den Ständetagen wurden Stadtwillkuhren genehmigt, in denen Fragen im Zusammenhang mit dem Handwerk ausführlich erörtert wurden, einschließlich des Brauens, Gewandschneidens, Arbeiten an Sonn- und Feiertagen (siehe Marienburger Willkuhr von 1365). Erwähnenswert ist auch, dass die Zunftstatuten nicht nur von den Gemeindebehörden, sondern auch von Ordensbeamten bewilligt werden mussten.
Bei der Erörterung der Rolle des Ordens als Organisator des städtischen Handwerks sollte überdies seine Rolle bei der Gründung und Betreibung der Infrastruktur für Handwerker wie Mühlen, sowohl Getreidemühlen als auch Walkmühlen und Gerbereien nicht übersehen werden.